akute Mittelohrentzündung


Akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta)

Allgemeines


Die akute Mittelohrentzündung ist eine akute, meist über die Ohrtrompete (Tube) aus dem Nasenrachen in das Mittelohr fortgeleitete eitrige Entzündung der Mittelohrschleimhaut.
Sie entsteht meist bei Vorliegen eines bakteriellen Infektes der oberen Atemwege (Nase, Mund, Rachen, Mandeln).

Die akute Mittelohrentzündung ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. „Akut“ bedeutet: plötzlich und heftig einsetzend, aber schnell verlaufend. Diese Art der Mittelohrentzündung tritt verstärkt im Winterhalbjahr auf. Kinder, die daran erkranken, waren meistens vorher erkältet.

Häufigkeit:
Etwa 40% aller Kinder erkranken vor dem 10. Lebensjahr mindestens einmal an einer Otitis media. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 4. Lebensjahr.
Bei Erwachsenen ist die akute Mittelohrentzündung relativ selten.

Beschwerden


Die Beschwerden treten meist in den Wintermonaten auf, oft bei vorangegangenem grippalem Infekten.
Es treten starke Ohrenschmerzen auf, besonders nachts, die nach spontaner Trommelfellperforation rasch zurückgehen.
Die Trommelfellperforation tritt meist am 2.-4. Tag nach Erkrankungsbeginn auf.
Bei Kindern
treten unspezifische Atemwegssymptome in über 90 % der Fälle auf. Dazu zählen:

  • Husten,
  • Schnupfen,
  • Reizbarkeit,
  • Appetitlosigkeit,
  • Fieber,
  • Kopfschmerzen,
  • Erbrechen,
  • Bauchschmerzen

 

Hinzu kommen lokale Symptome wie:

  • Ohrenschmerzen,
  • Völlegefühl im Ohr (Druckgefühl),
  • Hörminderung,
  • Kleinkindern fassen sich gehäuft an die Ohren

 

Gelegentlich treten zusätzlich Ohrgeräusche und „Stimmenresonanz“ - verzerrtes Hören auf.

Die typische Symptomatik bei akuter Otitis media ist eine Kombination aus unspezifischen Zeichen eines Infektes der oberen Luftwege in Verbindung mit lokalen „Ohr-bezogenen“ Symptomen.
Bei Säuglingen und Kleinkindern überwiegen die unspezifischen Symptome, die lokale Symptomatik ist häufig nicht offensichtlich.
Bei unklaren akuten Erkrankungen sollte in dieser Altersgruppe grundsätzlich eine Ganzkörperuntersuchung unter Einbeziehung der Ohren erfolgen.

Beim Erwachsenen kann sich eine Mittelohrentzündung auch ohne bemerkten Infekt der Atemwege ausbilden.

 


Das Trommelfell mit dem Mikroskop betrachtet:

 

Differentialdiagnosen:
Welche Erkrankungen können einer akuten Mittelohrentzündung ähneln?
  • Furunkel im Bereich des Gehörganges
  • Traumatische Trommelfellperforation
  • Fremdkörper im Gehörgang
  • Gehörgangsentzündung
  • Akut exacerbierte chronische Mittelohrentzündung
  • Lymphknotenschwellung hinter dem Ohr
  • Akute Speicheldrüsenentzündung (z.B. bei Mumps)
  • Weitergeleitete Ohrenschmerzen z.B. durch Zahnschäden, Störungen im Kiefergelenk,
  • Glomustumor
  • Herpes-Läsion im Bereich des Ohres
  • Kindliches Cholesteatom

Behandlung


Etwa 80% aller Ohrentzündungen heilen unter symptomatischer Therapie spontan ab.

Obwohl die Symptome einer Otitis media häufig dramatisch erscheinen, ist die Erkrankung nur selten ein Notfall.

Meist reicht eine Behandlung der Symptome aus:
Dazu zählen körperliche Schonung, gegebenenfalls Bettruhe, bei Fieber eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme!
bei Schmerzen: lokale Applikation von Wärme (z.B.. Rotlicht: 2mal 10 Minuten).

Schmerz- und Fiebermittel:

  • Paracetamol
    Zäpfchen/Tabletten 125mg, 250mg und 500mg oder Saft
    (10-15 mg/kg KG bis 4 mal täglich, Tagesgesamtdosis max. 50 mg/kg KG).
    Wirkdauer: etwa 6 Stunden.

  • Ibuprofen
    Saft/Tabellten;
    30 mg/kg KG pro Tag , verteilt auf drei bis vier Einzeldosen.
    Wirkdauer beträgt etwa 8 Stunden.
    Ibuprofen-Zäpfchen können in Deutschland erst ab dem 15. Lebensjahr verordnet werden.


Abschwellende Nasentropfen bei Infekten
Das Freihalten der Nase und damit der Tube fördert die Mittelohrbelüftung und erschafft Erleichterung beim Atmen..

Ohrentropfen sind bei einer Mittelohrentzündung ohne Ohrenlaufen nicht sinnvoll, da sie den Ort der Entzündung, der hinter dem Trommelfell liegt, nicht erreichen.
Bei Entzündung des Trommelfells können aber Ohrentropfen aus Kortikoid/Anästhetikum Schmerzen lindern und die Heilung fördern.

 


Hausmittel:

Es gibt weit verbreitete und wirksame Hausmittel, die die Heilung einer Mittelohrentzündung fördern:

    Zwiebel- oder Kamillesäckchen:
    gehackte Zwiebelstückchen oder Kamillenblüten werden in einem Säckchen aus dünnem Stoff mehrmals täglich für etwa eine halbe Stunde auf das schmerzende Ohr gelegt, mit wärmender Wolle oder Watte abgedeckt und mit einer Mütze oder einem um den Kopf gewickelten Tuch befestigt.
    Das Kamillesäckchen kann zuvor über Wasserdampf erwärmt werden.

    Wadenwickel bei Fieber:
    Hinweis: Vorsicht, bei kalten Beinen und Füßen auch bei hohem Fieber keine kühle Wickel anlegen!
    Bei Fieber können Tücher in Wasser, dass etwas kälter als die Körpertemperatur ist, getränkt, ausgewrungen, und vom Knöchel bis zum Knie um die Beine gewickelt werden. Das Kind wird dann wieder zugedeckt. Die warmgewordenen Tücher werden etwa drei mal erneuert. Auf keinen Fall die Beine mit wasserdichten Folien umwickeln!

    Wärme (z.B. Rotlicht) am entzündeten, schmerzenden Ohr tut vielen Kindern gut. Die Wirksamkeit dieser Behandlung wurde zwar oft beschrieben, jedoch nie in wissenschaftlichen Beobachtungsreihen nachgewiesen.

Sollten die Beschwerden sich nach etwa 3 Tagen nicht bessern, wird ein meist Antibiotikum verordnet.

Sollte auch durch ein Antibiotikum keine Besserung auftreten oder bei Komplikationen, wird eine Paracentese durchgeführt:
Die Parazentese ist ein Schnitt in das Trommelfell. Sie ist im Regelfall nicht erforderlich. Sie führt nicht zu einer beschleunigten Heilung, aber zu vorzeitiger Schmerzlinderung, da sich das Sekret aus dem Mittelohr nach außen (in den Gehörgand) entleeren kann.

Heilungsaussichten (Prognose)


Bei frühzeitigem Behandlungsbeginn klingen die Beschwerden innerhalb weniger Tage ab, die akute Mittelohrentzündung heilt in den meisten Fällen vollständig aus.
Beim Erwachsenen können Beschwerden, wie Ohrdruck, bis zu 4 Wochen anhalten.
Vor allem bei Veränderungen mit behinderter Nasenatmung (Adenoide Vegetation bei Kindern, Septumdeviation, Polypen u.a.), die nicht rechtzeitig erkannt und behoben werden, kann eine chronische Entzündung des Mittelohres die Folge sein. In diesem Fall kann auch eine Operation notwendig werden.
Die Mastoiditis ist eine gefährliche Komplikation, die jedoch bei rechtzeitiger Operation meist ohne Folgeschäden ausheilt.

Ursachen einer akuten Mittelohrenzündung


Meist entsteht die akute Mittelohrentzündung durch eine vom Nasen-Rachenraum aufsteigende Infektion bei einer Erkältung.

Seltener dringen die Keime bei einem vorbestehenden Trommelfelldefekt oder bei einer Verletzung des Trommelfells direkt aus dem äußeren Gehörgang ein.
Auch eine Verschleppung der Viren oder Bakterien über das Blut (=hämatogene Streuung) bei einer Allgemeinerkrankung wie z.B. Scharlach ist möglich.

Die häufigsten bakteriellen Erreger sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Streptococcus pyogenes und Staphylococcus aureus.
Die Bedeutung viral ausgelöster Infektionen wird kontrovers diskutiert. Sie begünstigen aber bakterielle Superinfektionen durch Tubenfunktionsstörungen und Irritationen der Epithelien.

Beispiel:
Bei einer Untersuchung an 456 Kindern konnte man bei 41% aus dem Mittelohr Viren isolieren: Respiratory Syncytial Viren (74%), Parainfluenzaviren (52%), Influenzaviren (42%) und Enteroviren (11%).
Bei mehr als der Hälfte der Kinder fanden sich gleichzeitig Bakterien: Streptococcus pneumoniae (25%), Haemophilus influenzae (23%) und Moraxella catarrhalis (15%).
Im klinischen Alltag ist in der Regel keine sichere Differenzierung zwischen viraler und bakterieller Genese zu Beginn der Erkrankung möglich.

 


Die folgenden Faktoren erhöhen das Risiko für die akute Mittelohrentzündung:
  • Tagesbetreuung außerhalb der Familie (also in Kindergärten, Kindertagesstätten) durch Ansteckung bei anderen Kindern
  • Rauchende Familienmitglieder
  • Ein oder mehrere Geschwister
  • Otitis media bei anderen Familienmitgliedern
  • Gebrauch von Schnullern
  • Verzicht auf das Stillen in den ersten 3 Monaten


Für die Entstehung einer Otitis media sind diejenigen Faktoren von Bedeutung, die das Risiko für obere Luftwegsinfektionen im Allgemeinen erhöhen oder zu einer Herabsetzung der örtlichen Abwehrmechanismen führen.

Komplikationen einer Mittelohrentzündung:
Heilt eine Mittelohrentzündung nicht richtig aus, oder schreitet sie weiter fort, kann es zu Komplikationen kommen.
So kann infektiös-eitriges Sekret in das umliegende Gewebe einbrechen und die Erkrankung ggf. einen septischen Verlauf nehmen.
Als Folge kann es zu einer Entzündung des Warzenfortsatzes (Mastoiditis), ggf. auch einer Hirnhautentzündung (Meningitis), kommen.
Eine Begleit-Mastoiditis ohne klinische Symptomatik ist häufig vorhanden. Eitrige Mastoiditiden kommen dagegen sehr selten vor (weniger als 1:1000).
Weitere mögliche Komplikationen sind:
Fazialisparesen, Hirnabszesse, Labyrinthitis, Sinusthrombosen, chronische Otitis media, Hörminderung oder Hörverlust

Vorbeugung


Faktoren, die bei Kindern das Risiko für die akute Mittelohrentzündung erhöhen, sollten berücksichtigt werden.

Dazu gehören:

  • Tagesbetreuung außerhalb der Familie (also in Kindergärten, Kindertagesstätten)
  • Rauchende Familienmitglieder
  • Ein oder mehrere Geschwister
  • Otitis media bei anderen Familienmitgliedern
  • Gebrauch von Schnullern
  • Verzicht auf das Stillen in den ersten 3 Monaten


Auch das Zusammensein mit anderen Kinder erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mittelohrentzündung auftritt. Ihr Kind deshalb von anderen Kindern fernzuhalten, ist jedoch für seine Entwicklung insgesamt eher schädlich als förderlich.
Das Stillen des Säuglings in den ersten drei Lebensmonaten ist nicht nur für die allgemeine Entwicklung des Kindes von Bedeutung, es beugt auch ganz speziell späteren Mittelohrentzündungen vor.
Das Rauchen in Anwesenheit eines Kindes ist zu vermeiden. Eine Behinderung der Nasenatmumg sollte ggf. operativ behoben werden.

(8/2018)